Fanny Felicia ​Morgenstern


schriftstellERIN​

Ich bin Schriftstellerin und schreibe am ​liebsten Kurzgeschichten, weil sie spannend ​und schnell zu lesen sind: im Wartezimmer, ​im Zug, vor dem Einschlafen...

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Ich habe von klein auf total gerne gelesen - oder vorgelesen ​bekommen -, weil Geschichten eine neue Welt erschaffen, in die man ​eintauchen und das Leben erkunden kann, während man es sich auf ​dem Bett oder Sessel bequem macht.

Photo Of Girl Reading Book

Später habe ich im Beruf viele ​Menschen kennengelernt und ihren ​Lebensgeschichten zugehört.

Dann habe ich für viele von ihnen ihre ​Lebensgeschichte aufgeschrieben.

A lady reading a book

Jetzt habe ich Freude daran gefunden, selbst Geschichten zu schreiben. Um ​das noch besser zu können, habe ich eine Ausbildung bei der sgd Fernschule ​in Darmstadt absolviert.

“Schreiben ist ​GLÜCK”

-Miriam Pressler-

Starry Night Sky Illustration

Möchtest Du mal etwas lesen?

Castle Bridge at Night

Die Brücke

Sie steht auf der Brücke und schaut in die Tiefe. Das schwarze, gurgelnde Wasser unter ​dem sternenlosen Nachthimmel tönt wie eine ständige Wiederholung und Bestätigung ​ihres inneren Chaos. Alles vorbei, alles schwarz, alles aussichtslos.


Es wären nur wenige Bewegungen nötig: ein Griff zum Träger, ein Schritt auf das ​Geländer – und dann einfach fallen lassen. Ein kurzer, freier Flug und dann Versinken. ​Alles wird weggespült, die Verzweiflung, die Wut, die Enttäuschung. Kein Streit, keine ​Tränen, keine Einsamkeit. Der Körper wird eins werden mit der Natur und die Seele löst ​sich auf in Nichts.


Sie greift an das Geländer. Da hört sie eine ruhige Stimme „Spring nicht.“ Sie dreht sich ​um. Da ist niemand. Alle Welt schläft. „Geh!“ sagt die Stimme. Doch wohin sollte sie ​gehen? Sie hat ja kein Zuhause mehr. Sie hat die Stimme im Ohr, ruhig, ​selbstverständlich, vertrauenerweckend. Sie zögert. Sie spürt, wie ihr Griff lockerer ​wird und ihre Füße gehen wollen. Sie überlässt sich dem Verwundern. Ihre Füße ​beginnen tastend zu laufen, ohne dass sie weiß wohin.

Sie läuft unaufhörlich durch Gegenden, die sie nicht erkennt. Fremde Straßen, fremde Häuser, ​leere Treppen.


Irgendwann tauchen Erinnerungen auf. Hat sie nicht dieses Denkmal schon gesehen von dem ​stolzen Feldherrn, und gelacht über seine Pose? Hat sie nicht an diesem Bachlauf vor Urzeiten ein ​Papierboot ausgesetzt und einen Damm aus Kieseln gebaut? Diese alte Linde, hat sie sie nicht mit ​ihrer besten Freundin umarmt und sie haben sich in ihrem Schatten ewige Treue geschworen?


Ach, ewige Treue! Sie haben sie beide nicht bewahrt und haben sich aus den Augen verloren. Diese ​Erkenntnis droht sofort wie eine schwarze Unwetterwolke über sie zu fallen.


Doch die Füße gehen ungebremst weiter. Straßen entlang, die sie bewusst nicht erinnert, aber an ​denen hier und da unklare Gefühle sie anspringen aus einem Hauseingang, einem Fenster, einer ​Kreuzung. Mal ist es Furcht, mal frohe Erwartung, mal Lachen und mal Scham. Für einen Moment ​blitzen sie auf ohne Bilder mitzuschicken. Was war da? Sie erinnert sich nicht.

Ein Haus taucht auf, dessen Haustür sie magisch anzieht. Dabei ist es keine besonders ​originelle Tür. Sie geht näher. Es ist das Holz mit seiner Maserung, die Gefache und das ovale ​bleigefasste Fenster im oberen Teil, die sie unwiderstehlich anlocken. Sie fährt mit dem Finger ​die Holzflächen nach und eine Welle von Wärme ergreift sie. Sie zieht die Hand zurück und ​schaut auf die Liste der Namen an den Klingelknöpfen.


„Seidenblum“ steht auf einem Schild, das sie wie ein Blitz trifft. Frau Seidenblum, wie oft hat ​sie als Kind diesen Namen geflüstert, ihn im Mund bewegt wie ein Stück Nougatschokolade. ​Mit diesem Namen konnte sie sich in den Schlaf wiegen. Dieser Name war ihr trotziger Halt, ​wenn sie sich als Kind unverstanden und hilflos fühlte.


Frau Seidenblum mit den schwarzgelockten Haaren und den dunkel glänzenden Augen, die ​Trauer und Wärme ausstrahlten und Vertrauen erweckten. Sie waren sich auf einer Bank im ​Park begegnet und waren ins Gespräch gekommen über schlechte Noten und die Angst, nach ​Hause zu gehen.

Frau Seidenblum hatte ruhig zugehört und vorsichtig nachgefragt. In beidem, in der Stille und ​im Fragen, war eine so ungewöhnliche Aufmerksamkeit und Zugewandtheit, dass Maja sich ​vorbehaltlos angenommen und gestärkt fühlte. Über die ganze Kindheit und Jugend war Frau ​Seidenblum Zuflucht und Ermutigung gewesen.


Doch als sie erwachsen wurde, war der Kontakt eingeschlafen. Maja hatte sie vergessen.

Jetzt, viele Jahre später, erfüllt der Name Maja mit brennender Scham, zugleich aber auch ​mit unbändiger Sehnsucht..


Ohne es zu wollen und ohne an die nächtliche Stunde zu denken, sucht Majas Finger den ​Klingelknopf und drückt.

Im selben Moment strömen durch die Fingerspitze all die Gefühle von damals wieder durch ​ihren Körper: die Verlorenheit und die Hoffnung des einsamen Kindes und zugleich die ​maßlose Macht der Liebe, derer ein Kind fähig ist.


Es bleibt still. Da packt Maja mit Wucht die Angst, dass sie zu spät kommt. Die Wohnung leer ​oder an jemand Verwandten weitergegeben. Die Chance verpasst, Dank zu sagen für die ​Stunden, die Maja Halt und Mut gaben.

Da knackt es in der Sprechanlage und eine brüchige Stimme fragt: „Ja, bitte? Wer ist da?“

Und Maja antwortet mit dem Satz, den sie als Kind immer sagte: „Darf ich rauf kommen?“

Der Summer ertönt, und Maja rennt die Treppen nach oben, nicht so schnell wie damals, aber ​umso schneller außer Atem.

In der Tür steht eine alte Frau, gebeugt und mit weißen Haaren. Maja zögert. Da breitet die Frau die ​Arme aus und sagt:

„Maja, Liebes, komm herein! Erzähl mir!“


Da wirft sich Maja in die geliebten Arme und die Tränen stürzen wie ein befreiender Strom. Sie ​gehen hinein und nun strömen die Worte der gesammelten und verschluckten Pein der Jahre bis ​der Morgen anbricht.



Parents and Child Holding Hands at the Beach

Der Schriftsteller hat das Privilileg, ​zugleich er selbst und ein ganz anderer ​zu sein.

nach Philip Roth

Veröffentlichungen

Nächtliches Gespräch im Museum


in: novum pro #16 Vol 1, S. 161-166

Ed. Wolfgang Bader, 2024, ISBN 978371160180-3

Calm Waves at the Beach

Morgen am Meer

Das ist ein Morgen, wie ihn nur das Meer uns schenkt

Das Wasser spiegelt spielerisch des Himmels Blau

Der Sand ist glatt und sanft noch ohne Menschen Schritte

Und in der Mitte

des Horizonts geht ruhig die Sonne auf

gehüllt in Purpur und in Gold

steigt majestätisch sie empor

und in das Ohr

dringt voller Übermut der Jubelruf der Möwen

Ich hebe eine Muschel auf, das leere Haus,

ein Wattwurm hat mit seinen Hügeln sie umkringelt.

Wer hat den Kopf mir mit viel Nichtigem umzingelt?

Kommt, Wind, Meer, Sonne!

Helft mir aus dem Schneckenhaus!

Kontakt:

fanny.f.morgenstern@gmail.com

Open Books with Flowers